Mittwoch, 16.11.2022

Frühchen Borisa kämpft sich nach Hause - Gutes Hilfsnetzwerk unterstützt Babys und ihre Familien im St. Franziskus-Hospital beim Start ins Leben

Als die kleine Borisa am 16.04.2022 das Licht der Welt erblickte, hatten die Eltern noch keinen Namen für ihr Kind ausgesucht. Denn eigentlich hätten sie damit noch fast vier Monate Zeit gehabt. Doch dann ging es auf einmal ganz schnell:

Die kleine Kämpferin Borisa und ihre Mutter Aleksandra Adamova

v.l.: Dr. Maike Franssen, Pia Kessmann, Aleksandra Adamova mit Borisa und Cordula van Dyk.

Am 17. November findet jährlich der Welt-Frühgeborenen-Tag stat und lila gilt weltweit als die Farbe für Frühchen („Purple for Preemies“). Um ein Zeichen zu setzen, kamen viele Pflegende und Ärztinnen und Ärzte, z.T. mit ihren Kindern, ehemalige Frühchen, auf dem Hubschrauberlandeplatz des Hospitals zusammen. Unter dem Motto „Starker Start für kleine Helden“ zeigten sie stellvertretend für die weiteren Mitarbeitenden des Krankenhauses den betroffenen Familien ihre Unterstützung

Mitten in einer komplikationslosen und unauffälligen Schwangerschaft platzte bei Aleksandra Adamova plötzlich die Fruchtblase. Sie wurde ins St. Franziskus-Hospital eingewiesen, wo sie sofort ein Medikament erhielt, das die Lungenreife des ungeborenen Kindes fördert. Einige Tage konnte die Geburt noch herausgezögert werden, am Karsamstag setzten bei der Mutter dann jedoch die Wehen ein und das zarte, 660g leichte Mädchen wurde nach nur 24 Schwangerschafts­wochen viel zu früh geboren.

„Am Anfang ist man völlig hilflos,“ erzählt die 37-jährige Bulgarin, für die Borisa bereits das dritte Kind ist. „Man steht neben dem winzigen Baby, das an vielen Schläuchen und Kabeln hängt, und kann überhaupt nichts tun.“ Aufgefangen werden die Eltern in dieser emotionalen Situation von einem großen Hilfsnetzwerk, das sich im St. Franziskus-Hospital neben der medizinischen Versorgung des Kindes auch um die oft überforderten Eltern kümmert. „Als Frühchen-Eltern wird man einfach ins kalte Wasser geworfen,“ weiß Pia Kessmann, Psychologin auf der Frühchenstation. „Es ist wichtig, mit jemandem sprechen zu können, denn die Angst ist gerade in der Anfangszeit ein ständiger Begleiter.“ Aber auch bei praktischen Fragen gibt es Hilfestellung. So werden die Eltern von Anfang an eng in die Pflege ihrer Kinder einbezogen. Wickeln, füttern, umbetten – all das kann nach einer kurzen Anleitung übernommen werden. „Müttern und Vätern hilft es enorm, selbst ins Handeln zu kommen und sich kompetent zu fühlen,“ sagt Pia Kessmann weiter. Am schönsten aber ist das Kuscheln: Bereits an ihrem dritten Lebenstag wurde Borisa ihrer Mutter zum sogenannten „Känguruhn“ auf die Brust gelegt. Der Hautkontakt, die vertraute Stimme der Mutter, der beruhigende Geruch, eine Bezugsperson, die nicht nur pflegt, sondern auch die Seele streichelt. Auch das hilft beim Wachsen und Genesen.

Mehr als 60.000 Kinder kommen in Deutschland jedes Jahr zu früh auf die Welt, knapp 10.000 davon mit einem Geburtsgewicht unter 1.500g. Auf diese Kinder, ihre Familien und ihre besonderen Bedürfnisse wird jährlich am 17. November, dem Welt-Frühgeborenen-Tag, aufmerksam gemacht. Als zertifiziertes Perinatalzentrum Level 1 bietet das St. Franziskus-Hospital Müttern und Babys die höchste Versorgungsstufe und betreut auch schon die allerkleinsten Frühgeborenen ab der Lebensfähigkeit und mit einem Geburtsgewicht unter 500g.

 „Bei so kleinen Frühgeborenen kann sich der gesundheitliche Zustand innerhalb kürzester Zeit immer wieder dramatisch ändern“, sagt Dr. Meike Franssen, Oberärztin der Neonatologie. „Deshalb müssen sie rund um die Uhr engmaschig betreut werden, damit wir alle Anzeichen eines Problems sofort erkennen und gegensteuern können.“ Auch bei Borisa waren die Wochen und Monate nach ihrer Geburt ein ständiges Auf und Ab. Sie brauchte Unterstützung beim Atmen, musste operiert werden und war zeitweise auf einen künstlichen Darmausgang angewiesen. „Während dieser ganzen Zeit hat sich das Ärzte- und Pflegeteam nicht nur um meine Tochter, sondern auch um mich gekümmert,“ erzählt Aleksandra Adamova. „Ich habe mich hier fast wie zuhause gefühlt und bin froh und dankbar, dass wir hier im Franziskus Hospital so gut versorgt wurden.“ Heute ist Borisa ein gesundes Baby. „Die erste Zeit zuhause ist trotzdem oft schwierig,“ weiß Cordula van Dyk, die als speziell ausgebildete Nachsorgeschwester neben ihrer Tätigkeit im St. Franziskus-Hospital auch für den Bunten Kreis Münsterland e.V. arbeitet und in den ersten Wochen nach der Entlassung Hausbesuche bei den Familien macht. „Plötzlich fehlen die überwachenden Monitore und die Pflegekräfte, die bei jeder Frage helfen können und Sicherheit geben. Wir unterstützen zuhause mit unserem Fachwissen, aber auch durchaus bei alltäglichen Dingen wie zum Beispiel bei Terminkoordinationen. Wir sehen die Familie als Ganzes und schauen, wo noch Hilfe nötig ist.“

Am 22. August wurde das kleine Mädchen schließlich aus dem Hospital entlassen. Zum Abschied bekam sie ein besonderes Geschenk: in einem liebevoll gestalteten Tagebuch hat das Stationsteam ihre Entwicklung in Fotos und Texten festgehalten – ein wertvoller Rückblick auf eine aufregende Zeit. Zu Hause angekommen durfte sie dann auch endlich ihre beiden sechs- und achtjährigen Geschwister kennenlernen, die schon sehnsüchtig auf ihre Schwester warteten. Einen Namen hatte sie da natürlich längst: „Borisa“ ist bulgarisch und bedeutet „Kämpferin“.

 


Bunter Kreis Münsterland e. V.
Seit 2006 arbeitet der Bunte Kreis Münsterland e. V. mit dem St. Franziskus-Hospital zusammen und bietet für Familien mit chronisch, schwerkranken und behinderten sowie von Behinderung bedrohten Kindern und ihren Angehörigen Nachsorge an. Jährlich werden über 900 Familien mit schwer kranken Kindern liebevoll und fachkundig begleitet. Neben der Kooperation mit dem St. Franziskus-Hospital arbeitet der Bunte Kreis Münsterland auch mit dem Uniniversitätsklinikum Münster, dem Mathias-Spital in Rheine und den Christophorus-Kliniken in Coesfeld zusammen.