Endovaskuläre Aortenbehandlung

Ein besonderer Schwerpunkt unserer Klinik ist die endovaskuläre Behandlung von Pathologien der gesamten thorakoabdominellen Aorta (Hauptschlagader).

Bis in die 90er Jahre wurden Aortenaneurysmen ausschließlich offen, das heißt unter Eröffnung des Bauchraums und/oder des Brustkorbs, behandelt und gehörten zu den wohl invasivsten Eingriffen überhaupt. Das Ausklemmen der Aorta, die schlechte Blutversorgung der ausgeklemmten Organe und das Zugangstrauma führten zu einer nicht unerheblichen perioperativen Morbidität und Mortalität. Die operativen Techniken haben sich seither erheblich verbessert. Dennoch ist der Aufwand sehr umfangreich und das Risiko für die häufig älteren Patienten, die nicht selten mehrere Nebenerkrankungen haben, erheblich.

Mit der Entwicklung der endovaskulären Therapieoption ergab sich die Möglichkeit, Aortenaneurysmen ohne Eröffnung des Bauch- oder Brustraums zu behandeln. Hierbei werden Prothesen, die in speziellen Einführschleusen geladen sind von den Leistengefäßen bis in die Aorta vorgeschoben und in der erkrankten Aorta von innen her aus der Einführschleuse (letztlich eine Art Schlauch) (Abb.1) eingelegt. Das Aneurysma muss so nicht mehr von außen freigelegt werden, es entfällt das Zugangstrauma, die Aortenklemmung und bei komplexen Aneurysmen die Organischämie (Minderdurchblutung) während der Operation. 

Glücklicherweise betreffen die meisten Aortenaneurysmen (ca. 80 Prozent) die Bauchaorta und haben einen gesunden so genannten Aneurysmahals unterhalb der Nierenarterien. Diese Aneurysmen lassen sich sehr gut endovaskulär von beiden Leisten her behandeln mit Prothesen (Endografts), die in dem Aneurysmahals verankert werden. (Abb.2). Unten werden die beiden Prothesenschenkel in den Beckenarterien verankert und kleiden das Aneurysma letztlich von innen her aus. Die Prothesen werden im Gefäßsystem des Patienten modular zusammengesetzt und bilden am Ende ein umgedrehtes Y. So wird das Blut durch die Endoprothese geleitet, nimmt den Blutdruck von der erkrankten Aneurysmawand und verhindert das Zerreißen, was in den meisten Fällen einen tödlichen Ausgang nehmen würde. 

Große randomisierte Studien konnten zeigen, dass die endovaskuläre Behandlung von Bauchaortenaneurysmen die perioperative Sterblichkeit von 4,7 auf 1,7 Prozent (EVAR1) senken konnte. Seither wurden immer mehr Aneurysmapatienten endovaskulär behandelt. Heutzutage werden ca. 70 Prozent der Aneurysmen so behandelt .

Schon mit Einsetzen dieser für den Patienten so schonenden, minimalinvasiven Technik begann unsere Klinik diese Therapie anzuwenden. Über die folgenden Jahre entwickelte die Klinik eine außerordentliche Expertise auf diesem Gebiet. Die Qualität der Versorgung wurde immer weiter verbessert durch Anwendung der modernsten Endoprothesen. Diese wurden maßgeblich durch unsere Rückmeldungen an die Hersteller verbessert und stetig weiterentwickelt.

Die Endoprothesen wurden flexibler und konnten sich besser an die Anatomie der Patienten anpassen. Durch eine so genannte aktive Fixierung wurde die Versorgung dauerhaft verbessert. Außerdem konnten durch  neue, dünnere Materialien die Einführöffnungen deutlich verkleinert werden, so dass diese Therapie auch bei Patienten mit dünnen Beckengefäßen möglich ist.

Jährlich versorgen wir bis zu 300 Aortenaneurysmen in dieser beschriebenen Technik und gehören damit zu den erfahrensten Zentren.

Die endovaskuläre Therapie war zunächst auf Aneurysmen beschränkt, die eine so genannte Landungszone (Aneurysmahals s.o.) in Bezug auf lebenswichtige Gefäße hatten. Aber gerade Aneurysmen, denen diese Landungszonen fehlten, brachten das höchste Risiko bei der offenen Behandlung mit sich. Die Entwicklung fenestrierter und gebranchter Endografts (Abb.3) machten es möglich auch diese Patienten schonender endovaskulär zu versorgen.

Aneurysmen, die oberhalb der Nieren und Bauchgefäße beginnen (suprarenale Aneurysmen) oder keinen ausreichenden Aneurysmahals unterhalb haben (juxtarenale Aneurysmen) werden, wenn die Anatomie es zulässt, in unserer Klinik seit Jahren mit fenestrierten Endoprothesen versorgt. (Abb.3 u. 4) Es handelt sich um speziell für den einzelnen Patienten maßangefertigte Endoprothesen mit Fenstern für die einzubeziehenden Gefäßabgänge, die dann mit so genannten Brückenstents (Abb.4) vor den Gefäßen fixiert werden. Hierdurch wird erreicht, dass die Endoprothese auch Landungszonen z.B. oberhalb der Nieren- und Bauchgefäße nutzen kann. Nachteilig bei diesen maßangefertigten Prothesen ist die Herstellungszeit von ca. acht Wochen, die für den Patienten eine Wartezeit darstellt. Schmerzhafte (rupturgefährdete) oder schon rupturierte Aneurysmen sind daher von dieser Therapieoption ausgeschlossen.

Sind die iliacalen Zugangsgefäße oder die einzubeziehenden Gefäße (Nierenarterien und Bauchgefäße) nicht für diese Prothesen geeignet oder handelt es sich um ein Ruptur- gefährdetes Aneurysma, kann die so genannte Chimney-Technik zur Anwendung kommen. Hier wird mit serienmäßig hergestellte Endoprothesen gearbeitet. Die einzubeziehenden Gefäße werden mit so genannten parallelen Chimneystents angeschlossen.

Seit 2001 versorgen wir jährlich ca. 40-50 juxta- , supra- und auch thorakoabdominellen Aortenaneurysmen in unserer Klinik mit fenestrierten Endoprothesen oder der Chimney Technik mit einer sehr niedrigen perioperativen Mortalität von nur 2,4 Prozent. 

Betrifft die aneurysmatische Aufweitung die gesamte thorakoabdominelle Aorta und insbesondere das Segment, von dem Nieren und Bauchgefäße entspringen, stehen neben den fenestrierten Endoprothesen die gebranchten Endoprothesen (Abb.3 u. 5) zur Verfügung. Bei diesen Prothesen sind statt Fenster kleine Seitenarme (Cuffs) (Abb.5) in die Prothese eingearbeitet, die ebenfalls mit so genannten Brückenstents an das zugehörige Zielgefäß angeschlossen werden. Anders als bei Fenestrierungen ist somit die Verbindung oder Überlappung zwischen den einzelnen Bauteilen breiter und nach unserer Auffassung auch sicherer. Ein weiterer Vorteil von Cuffs ist ein vorgesehener Abstand vom zugehörigen Zielgefäß. Das hat eine Standardisierung der Prothese möglich gemacht. Mit der T-Branch™ der Fa. Cook (Abb.5) können also verschiedene Patienten mit thorakoabdominellen Aneurysmen auch notfallmäßig behandelt werden.

Seit 2007 versorgen wir jährlich 50-60 Patienten mit gebranchten Prothesen an einem thorakoabdominellen Aneurysma. Die perioperative Sterblichkeit liegt unter 3 Prozent. Zudem gehörten wir zu den ersten Kliniken, die die Standardprothese T-Branch eingesetzt hat.

Aneurysmen betreffen in ca. 20 Prozent die Beckenarterien. Der Erhalt der Durchblutung der Beckenorgane und Gesäßmuskulatur über die innerer Beckenschlagader ist hier aufgrund der tiefen Lage im kleinen Becken ein besondere Herausforderung bei der offenen Therapie. Auch hier haben sich gebranchte Prothesen bewährt, mit denen es gelingt, nicht nur die Durchblutung der Beckenorgane zu erhalten, sondern auch die autonomen Nerven des Beckens zu schonen (Abb.6). Wir versorgen jährlich ca. 30-40 Patienten mit diesen Aneurysmen und können Gesäßclaudikatio, Erektionsstörungen und Darmdurchblutungsstörungen weitgehend vermeiden. Die perioperative Sterblichkeit ist mit 1,4 Prozent sehr gering.

In jüngster Zeit stehen in wenigen ausgewählte Kliniken gebranchte Endoprothesen für Aneurysmen und Dissektionen des Aortenbogens (Abb.7) zur Verfügung. Die Erkrankung an sich als auch die Behandlung beinhalten das besondere Risiko des Schlaganfalls mit möglicherweise erheblichen Folgen z.B. einer Halbseitenlähmung. Sind bestimmte Voraussetzungen erfüllt, kann diesen Patienten die Eröffnung des Brustkorbes und die offene Operation mit Herz-Lungen-Maschine in Hypothermie erspart werden. Die aus dem Aortenbogen abgehenden Halsgefäße für das Gehirn werden hierbei über innenliegende Branches (Cuffs) (Abb.7) angeschlossen. Alle unsere bisher so versorgten Patienten haben diese Operation ohne neurologisches Defizit überlebt.

Offene/konventionelle Aortenbehandlung

Wenn auch die o.g. endovaskulären Behandlungsmethoden heute bei der Mehrheit der Patienten Anwendung finden, so ist doch nicht jede Aortenerkrankung für diese Therapie geeignet. Stark gekurvte und geknickte Aortenverläufe, stark verkalkte, eingeengte oder verschlossene Zugangsgefäße (in der Regel die Beckenschlagadern) oder Veränderungen der Nieren und Bauchgefäße machen die endovaskuläre Therapie gelegentlich unmöglich oder zumindest sehr schwierig. In diesen Fällen wird nach wie vor die offene Aortenchirurgie angewendet.

Auch bei sehr jungen Patienten oder einer Systemerkrankung wie z.B. das Marfan-Syndrom werden die offenen Verfahren angewendet. Technische Weiterentwicklungen auch der offenen Verfahren machen diese Behandlung gerade für die genannten Gruppen ausgesprochen sicher. Ein weiterer Vorteil der offenen Verfahren ist, dass deutlich weniger Kontrolluntersuchungen notwendig sind. Dies ist besonders für jüngere Patienten ein wichtiges Argument.

Als Klinik, die beide Verfahren anbietet, können wir unseren Patienten eine individuelle, für den einzelnen ideale Therapie anbieten, sei es offen oder endovaskulär.